Skonto-Urteil des BGH: Auswirkungen auf die Apothekenbranche
Die Entscheidung des BGH wird von vielen Apotheken als schwerwiegender Einschnitt wahrgenommen. Für eine durchschnittliche Apotheke stehen zwischen 20.000 und 30.000 Euro auf dem Spiel.
Was besagt das Skonto-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) und welche Konsequenzen hat es für Apotheken?
Das Skonto-Urteil des BGH vom 8. Februar 2024 (I ZR 91/23), dessen Begründung seit Mitte April vorliegt, betrifft die Gewährung von Preisnachlässen für verschreibungspflichtige Arzneimittel (Rx). Nach diesem Urteil dürfen Vorteile auf Rx nunmehr nur noch aus dem Höchstzuschlag der Vorlieferanten von maximal 3,15 Prozent gewährt werden. Für Apotheken bedeutet dies, dass sie bei Ausschöpfung dieses Spielraums durch Rabatte keine darüberhinausgehenden Skonti auf Rx-Arzneimittel erhalten dürfen.
Welche Auswirkungen hat diese Entscheidung auf die Apotheken?
Die Entscheidung des BGH wird von vielen Apotheken als schwerwiegender Einschnitt wahrgenommen. Denn eine Änderung der Konditionen ist nicht nur zwingend nötig, um die rechtlichen Erfordernisse zu erfüllen. Sie ist auch vom Betrag her gewaltig: Unsere Experten schätzen, dass für eine durchschnittliche Apotheke zwischen 20 000 und 30.000 Euro oder rund 16 Prozent des Betriebsergebnisses auf dem Spiel stehen, für große Apotheken oder Verbünde oft deutlich mehr als 50.000 Euro. Die individuelle Betroffenheit hängt von zwei Faktoren ab: Erstens wie hoch das Einkaufsvolumen Rx ist und wie gut die Konditionen bislang verhandelt waren. Zweitens wird es darauf ankommen, inwieweit sich Kürzungen durch Gegenmaßnahmen kompensieren lassen.
Welche Maßnahmen sollten von den Apotheken ergriffen werden?
Während einzelne Maßnahmen wie etwa die sinnvolle Bevorratung von Ware mit noch hohen Skonti oder die Auszahlung der von einigen Lieferanten und Kooperationen gewährten und »angesparten« Rx-Boni nur in der Übergangsphase bis etwa Juni 2024 in Betracht kommen, wird eines längerfristig Thema bleiben: Verhandeln! Es ist zu erkennen, dass sich die Vorlieferanten bereits mit alternativen Konditionsmodellen am Markt positionieren. Viele Hersteller/Importeure haben ihr Skonto-System bereits umgestellt. Statt Skonto werden Prämien (beispielsweise für Datenlieferung) oder Werbekostenzuschüsse gewährt. Aber auch die pharmazeutischen Großhändler unterbreiten alternative Vergütungsmodelle. Kommt es hierbei zu einer Streichung des Skonto, empfiehlt es sich, die eigene Zahlung auf den spätest möglichen Termin zu legen. In jedem Fall gilt: Frühe Termine für individuelle Verhandlungen sichern – die Offerten der Vorlieferanten sind nur der »erste Aufschlag«; mit 14 000 Apothekeninhabern individuell zu verhandeln braucht seine Zeit. Helfen kann es zur Beschleunigung, sich mit Kollegen zusammenzutun und gemeinsam Termine wahrzunehmen.
Welche Kompensationen sind denkbar?
Je nach Lieferant kommen als Verhandlungsgegenstand in den individuellen Gesprächen ganz unterschiedliche Positionen in Betracht:
- Wegfall oder Reduzierung des Handelsspannenausgleichs
- erhöhte Vergütungen bei bisherigen Rabatt-Ausschlüssen und Sonderartikeln
- Erhöhung der Rabatte/Skonti auf die nicht vom Urteil betroffene Non-Rx-Ware (OTC, Freiwahl)
- Werbekostenzuschüsse oder andere Boni, die nicht
- Rx-bezogen sind
- Gebühren kürzen
- Bei vorhandener Liquidität: Angebot einer (hoch-)verzinsten Vorauskasse
Nachgedacht werden sollte auch über eine Neubewertung des Nutzens von Kooperationen oder Beratern: Erreichen diese überhaupt noch bessere Ergebnisse als man selber verhandeln kann? Soweit ein konsensfähiges Kompensationsangebot vorliegt, sollte dieses nahtlos greifen, das heißt gegebenenfalls auch rückwirkend gelten ab dem Zeitpunkt des Skontowegfalls.
Wie sind die neuen Angebote strukturiert?
Seit Anfang Mai liegen die ersten Großhandelsangebote bei den Apotheken vor. Es zeichnet sich ab, dass die in Frage vier skizzierten Kompensationsmöglichkeiten tatsächlich angewendet werden, allerdings in der Regel nicht gleichzeitig. Oft gibt es nur bei zwei oder drei Punkten ein Entgegenkommen, weitere Kompensationsmöglichkeiten werden nicht gewährt. Dies führt dazu, dass in den uns vorliegenden Angeboten zumeist nur 40 bis 60 Prozent des Skontowegfalls kompensiert wurden.
Es wird auch weiterhin Skonto gewährt mit Bezug zu einem festgelegten Zahlungsziel. Rx-Vergütung und Skonto ergeben nun zusammen jedoch maximal 3,05 Prozent und bleiben damit im rechtlich zulässigen Bereich. Skonto wird in der Regel nur auf Rx-Artikel gewährt, die keine Angebotsartikel oder Hochpreiser sind.
Gibt es politische Initiativen zur Unterstützung der Apotheken?
Die politischen Reaktionen auf das Skonto-Urteil sind bisher verhalten. Die Bundesregierung hat lediglich angekündigt, die Auswirkungen des Urteils zu prüfen und bei der anstehenden Apotheken-Reform zu berücksichtigen. Die Berufsvertretungen ABDA und Deutscher Apothekerverband (DAV) fordern dagegen, diesen Punkt vorzuziehen und durch eine Änderung der Arzneimittelpreisverordnung klarzustellen, dass Skonti weiterhin auch jenseits des prozentualen Aufschlages von 3,15 Prozent an Apotheken gewährt werden dürfen.
Da die Erfüllung dieser Forderung ungewiss ist, bleibt aktuell nur die Konzentration auf eine konsequente Ausschöpfung Ihrer Handlungsoptionen als Unternehmerin oder Unternehmer. Unsere Experten unterstützen Sie gern dabei.
- Dr. Sebastian Schwintek
Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)
GeneralbevollmächtigterTelefon: 0511 83390 -0Fax: 0511 83390 -340