Persönliche Problemlösungskompetenz im Härtetest: Authentisches Selbst zeigen oder Professionalität um jeden Preis?
Nach den letzten Überlegungen im Artikel zum Thema Konfliktbewältigung im Apothekenalltag beschäftigen wir uns heute mit den individuelleren Aspekten der »Problem-Kommunikation«. Und zwar aus unserer subjektiven Sicht im Hinblick auf die uns innewohnenden, teils stark emotional geprägten Fähigkeiten und die Einschränkungen, die diese erfahren können. Denn wir mögen zwar versuchen, sowohl unser Privatleben als auch die Tatsache, dass wir emotionale Wesen sind, beim Betreten der Apotheke abzugeben. Doch gelingen wird uns das nur bedingt. Abgesehen davon, dass wir uns der Frage stellen werden, ob das überhaupt sinnvoll ist.
»Das wäre sicherlich auch anders gegangen. Das war alles andere als professionell gelöst«.
Kennen Sie diese Sätze? Die Sie wahlweise sich selbst sagen oder von Ihren Kollegen hören? Im Anschluss an eine Situation, in der Ihnen möglicherweise der Kragen geplatzt ist, Sie Ihren Frust, Ihre Wut oder auch Ihren Ärger nicht mehr verbergen konnten? Oder in der Sie schlicht und ergreifend Ihre Emotionen, ganz gleich welcher Natur, in einem etwas großzügigeren Rahmen gezeigt haben? Doch was genau ist mit »professioneller« gemeint? Recherchen im Internet sind sich dahingehend einig, dass es der klare Gegensatz zu »dilettantisch, laien- oder auch stümperhaft« ist und sich auf »fachgerechtes und fundiertes Vorgehen« bezieht, bei dem es auch darum geht, die Verantwortung zu übernehmen. Zudem bedeutet es eine Ausübung der Tätigkeit gegen Bezahlung und dient dem Erwerb des Lebensunterhaltes.
Übertragen wir diese Kriterien auf die Apothekensituation, die den obigen Kommentar nach sich zog, so werden wir feststellen, dass diese Definition noch nicht ausreichend ist. Denn es handelte sich in diesem Einzelfall darum, dass eine gesetzliche Betreuerin sehr aufgebracht mit einer Monatsrechnung die Apotheke betrat und lautstark die Mitarbeiterin bezichtigte, Rezepte falsch und zuungunsten des Klienten zu beliefern. Selbstverständlich (wie im wirklichen Leben) wusste die Kollegin von dem gesamten Vorgang gar nichts, ließ die erste Tirade stoisch über sich ergehen und reagierte erst dann, als die Vorwürfe sie persönlich betrafen.
Sie setzte sich zur Wehr, indem sie die Anschuldigungen strikt von sich wies: »Das geht mir jetzt zu weit. Sie haben mit mir jemanden vor sich stehen, der von dem, was sie berichten bis zu diesem Moment keinerlei Kenntnis hat. Wenn ich Sie bitten darf, mich persönlich aus den Anschuldigungen rauszulassen. Gern können wir uns dem Thema gemeinsam widmen. Wir finden am leichtesten zusammen heraus, wie sich diese Rechnung zusammensetzt.« Ganz klar die persönliche Grenze gezogen. Ganz authentisch aufgezeigt, dass bis hierhin und nicht weiter. Professionell und doch den eigenen Emotionen Tribut zollend. Das ist sicherlich nicht jedermanns Sache und auch eine Frage der persönlichen »Schmerzgrenze«. Wie hätten Sie reagiert?
Hätten Sie sich innerlich verbogen und »gute Miene« zum »bösen Spiel« gemacht?
Womit wir bei dem noch fehlenden Part der Definition »Professionalität« angelangt sind, das sich auf ein reflektiertes, nicht emotional geleitetes Verhalten in einer kritischen Situation bezieht, welches die Problemlösung stets im Fokus hat. Also Achtung: Dies bedeutet offensichtlich nicht, dass professionelles Handeln einen grundsätzlichen Ausschluss der Emotionen nach sich ziehen muss. Dieses Konzept fehlerhaft verstanden führt zu Reaktionen, in denen wir uns schlecht fühlen, da wir vorhandene Gefühle maskieren und nicht zum Ausdruck bringen. Und genau dies kostet jede Menge Energie. Emotionen zu unterdrücken macht also keinen Sinn – ganz im Gegenteil. Denn dies führt wiederum dazu, dass solche Gespräche als anstrengend empfunden werden.
Wir dürfen also festhalten, dass je authentischer und bewusster wir mit unserer Gefühlswelt auch im Rahmen des Krisenmanagements umgehen und diese wahrnehmen, umso leichter fällt es uns, sie (sozialverträglich) zum Ausdruck zu bringen und sowohl der professionellen Rollenerwartung zu entsprechen als auch unserem Innenleben Rechnung zu tragen.
Während unsere Problemlösungskompetenz im obigen Beispiel external durch die Betreuerin auf den Prüfstand gestellt wird, sitzen wir im nächsten Beispiel auf einem imaginären Nagelbrett der anderen Art. Stellen Sie sich vor, sie sind gefordert, ein emotionales Erlebnis, das sich gerade in Ihrem Leben vehement zeigt, zu verarbeiten und doch zeitgleich in der Apotheke präsent sein zu müssen. Ganz gleich ob es um die Trauer um den Verlust eines nahestehenden Menschen, eines geliebten Tieres, Scheidungsthemen oder auch das Mitfühlen bei den dramatischen Vorgängen weltpolitischer Natur geht: Diese Gefühle wollen gefühlt werden. Sie zu unterdrücken führt möglicherweise langfristig sogar in einen Burnout. Wobei erneut nicht die Gefühle an sich das Ausbrennen verursachen, sondern der Widerstand, den wir ihnen gegenüber zeigen. Eine weise Entscheidung also sie zuzulassen. Und zwar zu Zeitpunkten, in denen dies möglich ist.
Um also diese Gefühle, die uns unabhängig von der Schwere des zu Grunde liegenden Ereignisses von Zeit zu Zeit regelrecht überfallen können, zu fühlen, verwahren wir sie in einer definierten Übergangsfrist sicher aufgehoben in einer Schatztruhe. Eine Truhe, die die Form, die Farbe, die Auskleidung und vor allen Dingen auch das Schloss Ihrer Wahl hat. Seien Sie hier gern kreativ und »spielen« Sie direkt mit!
Stellen Sie sich vor, sie legen Ihre Emotionen dort hinein und verschließen sie sorgfältig. Stellen die Truhe an einem Ort ihrer Wahl ab, nehmen den Schlüssel mit und beschließen nach getaner Arbeit zurückzukehren und die Schatztruhe zu öffnen. So werden Sie feststellen, dass sich in Ihnen eine große innere Ruhe breit macht, die darin zum Ausdruck kommt, dass Sie gefestigt und vor allen Dingen authentisch durch den Alltag gehen können.
Wenn Authentizität und Professionalität aufeinandertreffen …
- … dann ergänzen sich Werte wie Ehrlichkeit, Bewusstsein, Aufrichtigkeit und Loyalität auf ideale und ausbalancierte Art und Weise. Weder das eine noch das andere muss dominieren – und schon gar nicht um jeden Preis!
Sie selbst dürfen sich dann beglückwünschen und wie ein Fakir fühlen, der stabil auf seinem Nagelbrett sitzt, und gelegentlich feststellt, dass der ein oder andere Nagel zwickt, die Kompetenz zur Ausrichtung jedoch jederzeit vorhanden ist! So überstehen Sie jeden Härtetest und bewegen sich schwerelos im Feld der Problemlösungen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Teams eine stabile Nadelmatte in einer möglichst mittigen Waage von Authentizität und Professionalität.