Konfliktbewältigung im Apothekenalltag – Präventivstrategien und Lösungsansätze für den Fall der Fälle
Es vergeht kaum ein Tag ohne: Konflikte gehören dazu, wenn Menschen zusammenarbeiten. Wie begegnet man diesen, ohne dass sie sich ausbreiten und die Stimmung im Team drücken? Zum Beispiel mit übergeordneten Fragen, erklärt Apothekencoach und Konfliktlösungsexpertin Monika Raulf.
Nachdem wir uns im ersten Artikel dieses Jahres ganz übergeordnet dem Heilberuf gewidmet haben und uns die Schaffung des Kraftortes Apotheke sehr verlockend erscheint, nähern wir uns mit diesem Artikel den alltäglichen Widernissen und somit auch individuell unterschiedlichen Bedürfnissen. Die, wenn sie nicht zur Genüge berücksichtigt werden, zu konfliktbasierten Ausprägungsformen führen können. Wir werden dem Begriff »Konflikt« auf den Leib rücken, verschiedene Phasen und ihre Besonderheiten in der Behandlung kennenlernen, den Nutzen einer positiv erlebten Konfliktbereitschaft herausarbeiten und antizipierend prophylaktische Maßnahmen ganz praxisnah erörtern.
Wenn der Kunde mit hochrotem Kopf im HV steht und die Kollegen nur noch mühsam um Luft ringen. Wenn im Backoffice über die gesamte Arbeitszeit hinweg stille Messe gehalten wird. Wenn wir unserem Gegenüber die Magenschmerzen aufgrund der soeben erhaltenen Anweisung, ab sofort nur noch das im Übermaß eingekaufte, allerdings nicht evidenzbasierte und darüber hinaus auch noch überteuerte Produkt zu verkaufen, schon ansehen können. Wenn der Hauptverordner den Hörer nur so aufknallt und das Gespräch abrupt beendet. Dann kommen wir uns vor, als ob wir uns im Epizentrum der Konflikte befinden. Ist dem so? Ja, dem ist so. Denn wo Menschen mit ihren Meinungen, Interessen, Ideen oder auch Verhaltensweisen aufeinanderprallen, da kommt es zwangsläufig zu Uneinigkeiten, Streitereien und damit eben auch zu Konflikten.
Den obigen Beispielen können Sie entnehmen, dass sich Konflikte sowohl im zwischenmenschlichen als auch im intrapersonellen Bereich abspielen können. Dort häufig als Wertekonflikte anzutreffen (»Das ist doch nicht fair. Und ehrlich ist es auch nicht beraten, wenn ich nur noch dies eine Produkt empfehlen soll. Es wehrt sich alles in mir dagegen.«). Im interpersonellen Kontext treffen wir dagegen in der Mehrzahl auf Rollen-, Macht-, Interessen- und schlicht und ergreifend Beziehungskonflikte, die sich über verschiedene Phasen erstrecken und jeweilig andere Herangehensweisen zur Behebung erfordern, bevor es zu einer Eskalation kommt.
»Sie haben mir etwas Falsches geliefert!«
Stellen wir uns also eine Kundensituation vor, die wir gemeinhin als »schwierig« bezeichnen und die eher »unschön« ist. Als »unschön« wird sie erlebt, da es beiden Gesprächspartnern darum geht, eigene Interessen dem anderen gegenüber zu vertreten und im besten Falle durchzusetzen. Der eine wie der andere will sein Gesicht wahren und bestmöglich seine Forderung erfüllt wissen. Tun wir weiter so, als ob es dem Kunden darum geht, dass bei der Belieferung seines Rezeptes ein Fehler unterlaufen ist, den Sie hingegen in Unkenntnis der Sachlage noch gar nicht nachvollziehen können. Eine elegante Herangehensweise besteht nun darin, den Kunden auf eine argumentative Zeitreise mitzunehmen, die in der Vergangenheit (V) beginnt, sich über die Gegenwart (G) erstreckt, in der Zukunft (Z) endet und jegliche Brisanz aus der Diskussion nimmt. »Auch mir ist das schon mal so wie Ihnen ergangen. Meine Bestellung enthielt nicht das von mir Erwartete und ich war sehr aufgebracht darüber (V). Geben Sie mir jetzt bitte einen Moment Zeit, damit ich den Vorgang für Sie überprüfen kann (G). Ich bin mir sicher, wir werden eine gute Lösung finden (Z).« Und gedanklich fügen Sie hinzu: So werden wir auch Situationen wie diese vermeiden können! (Z). Sehr geschmeidig und sehr wenig Widerstand erzeugend.
3 Phasen des Konfliktes nach Glasl
Wobei sich diese Art von Konflikt noch im Anfangsstadium befindet – eine Diskussion ist noch im Gange, Sie debattieren und danach kommen Sie ins Tun und lösen das Problem zur allseitigen Zufriedenheit auf. Laut Friedrich Glasl (Ökonom und Organisationsberater) befinden Sie sich hier in der ersten von drei Konfliktphasen. Die sich anschließende Phase 2, in der es emotionale Verletzungen, klare Positionskämpfe und Drohgebärden gibt, erlaubt keine beiderseitige Lösung mehr – es wird aufgrund von Gesichtsverlusten einen Verlierer geben. Mit Eintritt in Phase 3 gibt es nur noch Verlierer (Quadrant 1 der Abbildung auf Seite 10). Der Ursprung des Konfliktes tritt vollends in den Hintergrund – ist in manchen Fällen sogar unbekannt. Es geht um (dramatisch, aber leider wahr) die »Vernichtung« des Streitpartners und dafür wird sogar der eigene Untergang in Kauf genommen. Das folgende Beispiel dürfen Sie nach eigenem Gutdünken in die Phasen einteilen:
Einfach mal dem Kollegen eine Backpfeife geben und vorher »Mücke« rufen
Zwistigkeiten im personellen Bereich führen nicht selten zu absurden Konstellationen. Kollegen, die teils Jahrzehnte in derselben Apotheke in verschiedenen Schichten arbeiten, um sich aus dem Weg zu gehen, sehen sich in Teamsitzungen und lassen dort keinen Zweifel daran, dass sie sich spinnefeind sind. Kämpfe um Aufgaben, die vermeintlich von minderqualifizierten Kollegen übernommen werden, verleiten dazu, die Person (und nicht die Sache) in den Mittelpunkt der Missbilligung zu stellen. Und auch dort zu belassen und in Passivität zu verfallen Nach einiger Zeit, in der die Kommunikation zusehends spärlicher, intensiver und auch aggressiver wird, droht das Problem ohne Einschreiten zu einem Dauergast zu werden. Und manchmal ist es auch einfach schön, ein Problem, einen Konflikt zu haben. Garantiert er doch, dass die Betreffenden sich in einer gewissen Sonderstellung befinden und der Aufmerksamkeit anderer sicher sein können. Sie halten das für provokant? Möglicherweise. Doch seien wir einmal ehrlich.
Wer wären wir ohne Konflikt?
Wie wäre das Team dann? Wer hat Interesse daran, dass eben kein Konsens gefunden wird? Und andersherum: Was wäre ohne den Konflikt nicht mehr möglich? Wer hat etwas davon, dass dieser Konflikt bestehen bleibt? Fragen, die aus der übergeordneten Position zu einer ersten Klärung führen können. Doch braucht es schon hier die Bereitschaft, sich mit dem Konflikt auseinanderzusetzen. Und dies ist einer der grundlegendsten Bausteine auf dem Weg zur Konfliktklärung. Gepaart mit einer möglichst positiven Interpretation des Wortes »Konflikt«. Aus dem lateinischen kommend (»con-fligere«) und unter anderem mit »im Widerstreit stehen, in Kampf geraten, zusammenschlagen«, aber auch »vereinigen, zusammenbringen« übersetzt, haben wir die Wahl, wie wir uns einem Konfliktgeschehen grundsätzlich nähern.
Begreifen wir es als unangenehm, als Bedrohung und vielleicht sogar als etwas Zerstörerisches? Wollen wir um jeden Preis Frieden wahren und geben einfach nach (Quadrant 3 der Abbildung)? Oder sehen wir ein immenses Lern- und Entwicklungspotential in der sich anbahnenden Auseinandersetzung – sowohl für uns selbst als auch für die Konfliktpartei? Wie ist es bei Ihnen selbst darum bestellt? Was haben Sie in der Vergangenheit über und in Konflikten gelernt? Haben Sie, koste es was es wolle und ohne Rücksicht auf Verluste Ihre Ansicht, Ihre Idee vertreten (Quadrant 2 der Abbildung)? Oder sind Sie sich selbst treu geblieben? Haben Sie Ihre Interessen vertreten und dabei auch die des Gegenübers beachtet? Falls ja, so sind Sie in einer Win-Win-Situation gelandet, die dem Quadranten 4 auf der Abbildung entspricht und Kooperation auf allen Ebenen ermöglicht.
Was Sie in der Mitte der Abbildung sehen, ist der berühmt, berüchtigte Kompromiss. Möglicherweise sogar der »faule« Kompromiss. Denn hier kommt niemand so recht auf seine Kosten und es besteht die Gefahr, dass das gesamte, sehr instabile, weil unbefriedigende System doch im Lose-Lose-Sektor landet. Besagte Backoffice-Streithähne oder auch die arbeitszeitlich getrennten Kollegen wieder an einen Tisch zu bringen, macht nur dann Sinn, wenn alle Beteiligten es A) wollen und B) Spielregeln im Vorfeld festgelegt werden. Betriebswirtschaftlich ist es in jedem Falle wünschenswert, da zu erwarten ist, dass es zu einem signifikanten Rückgang an Fehlern, Krankmeldungen, Beschwerden und Kündigungen kommt. Wohingegen sich der Umgangston deutlich verbessern und Dienst nach Vorschrift Schnee von gestern gewesen sein dürfte. Sollte ein Mediator anwesend sein, so wird er darauf achten, dass besagte Regeln strikt eingehalten werden:
Sachlich bleiben – ausreden lassen – Wertschätzung zeigen – Gemeinsamkeiten finden
Gehen wir davon aus, dass Konfliktgespräche nichts anderes sind als Verhandlungen, so dürfen wir nun auch das bekannte »Harvard-Modell« einbeziehen, das Menschen und Probleme (Konflikte) stets getrennt betrachtet. Es werden dementsprechend niemals Positionen verhandelt, sondern ausschließlich Interessen. Das Ergebnis muss für alle fair und von Vorteil sein und so im Quadranten 4 unserer Abbildung anzusiedeln sein. Berücksichtigen wir, wie niedrig die Schwelle der Erregung sein kann und wie wenig passieren muss, damit das Fass überläuft, so dürfte klar sein, wie wichtig die Einhaltung der Regeln ist.
Nicht die Konflikte sind das Problem, sondern die Art mit ihnen umzugehen
Gelingt es Ihnen, bereits in einer frühen Phase des Konfliktes sehr einfühlsam einzuschreiten, so empfiehlt sich das »LEAF-Modell«: Listen – Emphathise – Apologise – Fix. Gut zuhören, einfühlsam sein und hineinversetzen, sich entschuldigen und letztlich den Konflikt lösen. Fingerspitzengefühl und eine authentische Herz-zu Herz-Verbindung garantieren ein Erfolgserlebnis und in der Folge ein Glücksgefühl – für alle Beteiligten. Dem Philosophen Martin Buber verdanken wir folgendes Zitat: »Der Ursprung aller Konflikte zwischen mir und meinen Mitmenschen ist, dass ich nicht sage, was ich meine, und dass ich nicht tue, was ich sage.« Mögen wir in diesem Sinne unseren Worten Taten folgen lassen, die wir auch genau so meinen, so dass viele konflikthafte Ursprünge ohne Nachhall verklingen. In diesem Sinne wahlweise eine konfliktarme oder aber eine konfliktbereichernde angenehme und erfolgreiche Zeit für Sie und Ihr Team.