GKV-Rx-Versorgung defizitär
Unfaire Stückvergütung: Die sich aus der AMPreisV ergebende GKV-Rx-Vergütung wird von anderen Portfoliosegmenten und durch Einkaufsrabatte quersubventioniert.
Beim diesjährigen Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbandes in Berlin hielt Dr. Frank Diener einen Vortrag, der eine außerordentliche Aufmerksamkeit nicht nur bei den anwesenden 350 Teilnehmern, sondern auch in den pharmazeutischen Medien erhielt. Dieners zentrale Aussage: Die Vergütung, die die Apotheken für die Abgabe von Fertigarzneimitteln an GKV-Versicherte aufgrund der Arzneimittelpreisverordnung erhalten, ist defizitär.
Anhand einer vom Deutschen Arzneiprüfungsinstitut - DAPI e.V. erstellten »Taxstudie« für die Jahre 2011 bis 2022 ermittelte Diener zunächst die durchschnittliche Stückvergütung, die sich für die Vor-Ort-Apotheke bei der Abgabe von Rx-Fertigarzneimitteln an GKV-Versicherte auf Grundlage der Arzneimittelpreisverordnung ergibt. Diese Stückvergütung ergibt sich als die Differenz aus dem Netto-Apothekenverkaufspreis und dem Apothekeneinkaufspreis. Sie ist die »Handelsmarge« der Apotheke, aus der ihre Betriebsausgaben gedeckt werden müssen und möglichst noch ein Gewinn für den Inhaber erwirtschaftet werden soll. Diese Tax-Stückvergütung ist die vom Bundeswirtschaftsministerium als Verordnungsgeber vorgesehene Apothekenvergütung. Sie beinhaltet keine Einkaufsrabatte oder Skonti, die die Apotheken von ihren Vorlieferanten erhalten. Die Tax-Stückvergütung bei GKV-Rx-Fertigarzneimittel-Abgaben ist von 7,39 in 2011 auf 8,48 Euro/Packung in 2022 gestiegen.
Dieser Stückvergütung stellte Diener dann die Stückkosten gegenüber. Dabei wurden nicht die Gesamtbetriebskosten benutzt, sondern nur die auf die GKV entfallenden anteiligen Betriebskosten. Diese werden im »Teilbetriebsergebnis GKV« der Durchschnittsapotheke vom DAV jährlich bei seinem Wirtschaftsforum publiziert. Die Stückkosten bei der GKV-Rx-Fertigarzneimittelabgaben sind von 7,13 in 2011 auf 8,75 Euro/Packung in 2022 gestiegen.
Stückgewinn im GKV-Rx-Segment? Seit 2020 entstehen Stückverluste!
Saldiert man die Stückvergütung und die Stückkosten, ergibt sich für den Zeitraum von 2011 bis 2022 ein für viele vermutlich sehr überraschendes Bild. Beginnend bei einem Stückgewinn von 25 Cent je Rx-Packung führte die Anpassung des Fixums bei der Rx-Vergütung in 2013 zu einem Anstieg auf 0,91 Euro. In 2020 ist bei der GKV-Rx-Versorgung aus dem Stückgewinn ein Stückverlust geworden, der in 2022 sogar schon 27 Cent je GKV-Packung beträgt. In 2023 wird sich dies weiter verschärfen, denn der erhöhte Kassenabschlag reduziert die Stückvergütung und gleichzeitig steigen inflationsbedingt die Stückkosten. Ceteris paribus wird beides zusammen in 2023 die Stückverluste in der GKV-Versorgung in Richtung von 1 Euro je GKV-Rx-Packung je Durchschnittsapotheke erhöhen.
Für die Arbeitszeit, das Eigenkapital und die eigenen Immobilien, die von den Inhabern und Inhaberinnen in ihre Apotheken eingebracht werden, ist mit der in der AMPreisV vorgesehenen Apothekenvergütung in der GKV-Rx-Versorgung seit 2020 keinerlei Vergütung entstanden. Mehr noch: In der GKV-Rx-Versorgung werden seit 2020 nicht einmal die steuerlich abzugsfähigen Betriebskosten der Apotheken gedeckt. Die GKV-Rx-Versorgung ist defizitär und wird derzeit von den anderen Umsatzsegmenten und aus Einkaufskonditionen der Apotheken subventioniert. Natürlich versuchen die Apotheken, sich von ihren Vorlieferanten in der Wertschöpfungskette Einkaufsrabatte durch bestelleffizientes Verhalten und Mengenbündelung oder Skonti für schnelle Bezahlung zu holen, doch in Zeiten von Lieferengpässen ist dafür die Verhandlungsposition sehr schlecht geworden, zumal der pharmazeutische Großhandel wegen seiner ebenfalls seit 2013 nicht angepassten Margen dazu auch immer weniger in der Lage ist. Der Wortlaut der AMPreisV in § 78 AMG sieht explizit vor, dass die berechtigten Interessen der Apotheker vom Bundeswirtschaftsministerium in der AMPreisV zu berücksichtigen sind – eine vorsätzliche Unterfinanzierung im GKV-Rx-Bereich mit Hinweis, die Apotheker könnten sich die fehlenden Deckungsbeiträge bei ihren Vorlieferanten erbetteln, liefe dem Wortlaut des AMG zuwider.
Erkenntnisse zur Apothekenvergütung
Aktuell ist die sich aus der AMPreisV ergebende GKV-Rx-Vergütung der Apotheken defizitär und wird von anderen Portfoliosegmenten und durch Einkaufsrabatte quersubventioniert.
Eine zeitgemäß mit den Betriebskosten ausbalancierte, angemessene und faire Stückvergütung der Apotheken ist möglich.
Die Niveauanpassung an das aktuelle Betriebskostenlevel ist dringend erforderlich – und: Sie könnte in regelmäßiger Taktung erfolgen!
- Dr. Sebastian Schwintek
Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)
GeneralbevollmächtigterTelefon: 0511 83390 -0Fax: 0511 83390 -340