DIALOG-Keynote: Künstliche Intelligenz – Bleiben wir schlauer als die Roboter?

»Künstliche Intelligenz wird in sehr kurzer Zeit besser und besser werden, doch auch wir lernen dazu und werden durch KI schlauer.«

03. Dezember 2024
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Zum Einstieg wiederholte er sämtliche Namen der anwesenden Zuschauer, die er im Vorfeld begrüßt hatte – und das waren nicht gerade wenig. Dr. Boris Nikolai Konrad, Neurowissenschaftler, Physiker,  Weltrekordhalter im Gedächtnissport, KI-Experte und Keynote-Speaker beeindruckte gleich von Anfang an mit seinem kurzweiligen Mitmach-Vortrag zum Thema menschliche und künstliche Intelligenz.

Den Unterschied zwischen diesen beiden stellte er zu Beginn klar. Wo Künstliche Intelligenz im Prinzip wie ein sehr fortschrittliches Eingabe-Ausgabe-System funktioniert (»shit in = shit out«), arbeitet unser Gehirn eher mit Netzwerken und »Gedächtnissystemen«: »Das Gedächtnis ist kein Ort in unserem Kopf, sondern eine Funktion«, erklärte Dr. Konrad.

Verändert die Technik denn nun unser Denken? Ja, sagt Dr. Konrad, denn jedes Verhalten ändert unser Denken. Die Veränderungrate wird dabei immer schneller und schneller, je weiter die Technologie(r)evolution fortschreitet. »Unser Gehirn kann sich immer wieder anpassen und weiterentwickeln«, so der Neurowissenschaftler, »Wissen wird einfach immer verfügbarer. Wichtig ist jedoch, wie ich diese Informationen nutze.«

KI ist ein »Hype«, der nicht mehr weggehen wird

Künstliche Intelligenz wird also in sehr kurzer Zeit besser und besser, doch auch wir lernen dazu und werden durch KI schlauer. »Der Vorteil bei Computern ist lediglich, dass sie in kürzerer Zeit mehr Wiederholungen schaffen«, erläuterte Konrad. So schlagen Roboter heutzutage jeden mensch­lichen »Go«-Spieler im wohl schwierigsten weltweit bekannten Strategiespiel – doch durch die KI-Strategien spielten auch die menschlichen Spieler in kurzer Zeit auf einem viel höheren Niveau.

Auch generative Sprachmodelle (LLMs = Large Language Models) können nur mit dem arbeiten, was bereits da ist: »Sprachmodelle wie ChatGPT oder auch andere generative KI, die Bilder oder Musik kreieren können, kombinieren einfach die Daten neu, die bereits vorhanden sind«, verdeutlichte der charismatische Gedächtnisexperte anhand eines mithilfe der App Suno generierten Rap-Songs und eines Schlagers über die Vorteile von Apotheken.

Das Potential von KI für das eigene Unternehmen nutzen

»Was allerdings fehlt sind Emotionen und Überzeugung, die müssen wir Menschen beisteuern – trotzdem kann man großartige Dinge mit KI machen und dieses mächtige Potential für das eigene Unternehmen nutzen«, betonte Dr. Konrad. »Am Markt wird sich der durchsetzen, der die beste KI einsetzt und gleichzeitig bereit ist, von ihr zu lernen.«

Zu was das menschliche Gehirn alles imstande ist, demonstrierte er dann gemeinsam mit dem Publikum. Der sympathische Gehirnforscher erzählte eine sehr anschau­liche – und ein bißchen seltsame (denn so konnte man sie sich besser merken) – Geschichte mit einigen Schlüsselwörtern und den dazu passenden inneren Bildern, die er mit Gesten unterstrich. Die insgesamt 15 gemerkten Wörter konnte die versammelte Zuhörerschaft danach tatsächlich brav repetieren.

»Hiermit haben Sie sich soeben sämtliche deutschen Bundespräsidenten in der richtigen Reihenfolge gemerkt!« löste Dr. Konrad die Übung auf: »Wenn Sie in Bildern denken, können Sie sich sehr viel schneller und leichter an etwas erinnern.« Die Schlüsselwörter klangen alle so ähnlich wie die Bundespräsidenten – so einfach und angenehm kann gehirngerechtes Lernen sein! Zum Schluss und im Anschluss an seinen beeindruckenden DIALOG-Beitrag beantwortete Dr. Konrad noch Fragen aus dem Publikum zu den Themen Langzeitgedächtnis, fotografische Gedächtnisse und sogenannten »Gedächtnispalästen«, einer bildhaften Methode für leichteres Lernen.

Noch mehr Infos über menschliche und künstliche Intelligenz sowie Dr. Konrads Bücher, zum Beispiel »Alles nur in meinem Kopf – Die Geheimnisse unseres Gehirns« oder der Spiegel-Bestseller »Mehr Platz im Gehirn«, finden Sie auf seiner Webseite www.boriskonrad.de

Interview mit Dr. Boris Konrad

Welchen IQ haben Sie?

Ich habe vor etwa 20 Jahren einen IQ-Test beim Hochbegabtenverein Mensa gemacht. Hierbei hatte ich ein Ergebnis von etwas über 130, was als Hochbegabung gilt. Wichtig ist aber, dass wir in unseren Trainingsstudien sehen, dass für den Nutzen von Gedächtnistechniken der IQ nicht relevant ist. Alle können davon enorm profitieren! Nur wenn es dann um die Weltspitze im Gedächtnissport geht, mag die Intelligenz und die damit korrelierte »Denkgeschwindigkeit« (engl. Processing speed) relevant sein. Daher bin ich auf meinen IQ auch nicht stolz, sondern vielmehr auf meine Leistungen im Gedächtnissport, die auf Gedächtnistechniken, kreativen Ideen und Training basieren.

Denken wir manchmal auch zu viel beziehungsweise kann der Kopf auch zu voll sein?

Im Laufe des Tages erleben wir viel und werden heutzutage oft mit Informationen überschüttet. Das fordert das Gehirn schon sehr. Daher ist ausreichend Schlaf sehr wichtig. Wir wissen heute, dass das »Aufräumen« des vollgelaufenen Speichers vor allem im Schlaf passiert, wenn neue Sinneseindrücke großteils blockiert werden und wir nicht bei Bewusstsein sind. Zu viel Denken kann man meiner Meinung nach nicht. Zu viel Grübeln natürlich schon: Wenn es keine konstruktiven Gedanken sind, sondern vor allem eine Selbstbeschäftigung, kann diese nachteilig sein, vor allem wenn sie von negativen Gedanken geprägt ist.

Warum sollte ich mein Gedächtnis trainieren, wenn KI das viel besser kann?

Natürlich können Computer Daten viel besser speichern als wir. KI kann solche Daten anders verwerten als ältere Verfahren und uns so auch komplexe Themen erklären. Wenn diese Informationen aber im Rechner bleiben und sich bei uns im Hirn nichts verändert, ist das für den Menschen ein großes Problem. Ideen haben, innovativ sein, Themen verstehen – das wollen wir alle. Aber viele übersehen, dass dafür auch Inhalte im eigenen Hirn nötig sind. Daher ist meine Überzeugung, dass KI ein großartiger Assistent für uns ist. Aber die wirklich innovativen Ideen kommen weiter aus menschlichen Hirnen. Und da wirkt Gedächtnistraining wie ein Upgrade – nicht für die Maschine, sondern für uns.

Wie hilft uns das Gedächtnis dabei, neue Lösungen zu finden?

Ist Kreativität da nicht wichtiger? Unser Gedächtnis ist ein Schlüssel zur Kreativität, denn es schafft erst den Raum, in dem Ideen miteinander verknüpft werden können. Oft wird Kreativität als etwas Neues betrachtet, das wie ein Blitz aus dem Nichts kommt. Tatsächlich ist sie aber immer das Ergebnis von bereits bestehendem Wissen in unserem Gehirn, das auf innovative Weise kombiniert wird. Wenn wir über ein gut trainiertes Gedächtnis verfügen, können wir unser Wissen abrufen, es von verschiedenen Seiten beleuchten und so neue Zusammenhänge und kreative Lösungen entdecken.