Apotheken im Herbst 2022

Wie war das letzte Jahr und was kommt auf uns zu? Dr. Frank Diener, Generalbevollmächtigter der Treuhand Hannover und Geschäftsführer des Treuhand-Verbandes, gab wie immer auf dem Dialog einen Rückblick auf das zurückliegende Jahr und eine Branchenvorschau für 2023.

21. Juni 2023
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Betriebswirtschaftliche Diagnostik

Die aktuellen »Blutwerte« zeigen, dass im bisherigen Jahresverlauf für die Branche insgesamt der Rezeptumsatz um 7 Prozent gegenüber 2021 gestiegen ist, zugleich die coronabedingten Sonderumsätze in 2022 stark rückläufig sind. Der durchschnittliche Gesamtumsatz bewegt sich im Vorjahresvergleich dadurch sogar noch leicht im Plus, obwohl fast 40 Prozent der Betriebe ein Minus ausweisen. Doch das Problem ist, dass Corona-Umsätze mit einzelhandelsüblichen Margen durch RX-Umsätze mit den niedrigen Apothekenmargen ersetzt werden. Im Effekt führt das zu einem signifikanten Rückgang des durchschnittlichen Apothekenrohertrages um rund 10 Prozent. Bei gleichzeitig verteuertem Wareneinsatz und steigenden Kosten bricht das durchschnittliche Betriebsergebnis um 38 Prozent ein. Ergänzend zum Durchschnitt ist die Streuung zu berücksichtigen: In 2021 hatten »nur« 15 Prozent der Apotheken Renditen von weniger als 4 Prozent des Nettoumsatzes, in 2022 sind 44  Prozent der Apotheken in diese problematische Betriebsergebniszone abgerutscht! Eine schon jetzt sichtbare Folge: In 2022 werden voraussichtlich per Saldo fast 400 Betriebe aus dem Markt ausscheiden – rund ein Drittel mehr als 2021.

Dominante ökonomische Probleme

Für 2023 sind schon diverse Belastungen für die Apotheken absehbar: Die Personalkosten steigen nach dem bereits 2022 erfolgten Sprung in 2023 schon aus tariflichen Gründen um weitere 3 Prozent – je nach lokaler Marktlage werden wegen der Personalknappheit übertarifliche Zulagen oder eine anteilige Zahlung zur Inflationsprämie erforderlich sein. Die Energiekosten werden sich trotz Strom- und Gaspreisbremsen mindestens verdoppeln. Die IT-Dienstleister erhöhen die monatlichen Gebühren und die Großhändler verschlechtern die Einkaufskonditionen. Lieferengpässe bei einigen hundert gängigen Arzneimitteln sind aufwändige Zeitfresser, führen zu Mehrarbeit, verteuern so die Personalkosten und führen zu Mindererträgen. Völlig zur Unzeit trifft die Apotheken zudem die Erhöhung des Zwangsrabattes, der die durchschnittliche Apotheke mit 7000 Euro p. a. treffen wird. Diese Belastungen summieren sich für eine Durchschnittsapotheke in 2023 auf rund 30 000 Euro und würden, wenn nicht gegengesteuert wird, ungebremst aufs Betriebsergebnis durchschlagen.

Unternehmerische Handlungsoptionen

Die Gretchenfrage ist: Gibt es betriebswirtschaftlich kompensierende Maßnahmen zu diesen absehbaren Mehrbelastungen? Die Antwort ist: Ja. Aber es wird anstrengend und es muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Möglichkeit überhaupt besteht und ob sie im konkreten Fall opportun ist:

Einkauf:
Sind Ihre Konditionen aktuell und ist Ihr Umgang mit den vereinbarten Regelungen adäquat? Z. B., beachten Sie Mindestbestellmengen, um Rabatte ziehen zu können?

Öffnungszeiten:
Kommt für Ihren Betrieb eine Mittagspause in Frage? Können Sie Ihre Öffnungszeiten ändern, zum Beispiel eine halbe Stunde später öffnen oder früher schließen? Können Sie mit ihren lokalen Kollegen für Samstage umschichtige Öffnungen/Schließungen vereinbaren?

OTC-Preise:
In der kompletten Wirtschaft werden Kostensteigerungen derzeit weitergegeben. Sie dürfen Ihre OTC-Preise seit 2004 selber machen. Das war eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers. Lassen Sie sich bei den Frei- und Sichtwahlpreisen von Ihrer WaWi fremdsteuern oder haben Sie ein individuelles Preiskonzept, das Preise »über UVP« vorsieht? Runden Sie auf sogenannte Schwellenpreise auf, die auf 45 oder 95 Cent enden? 

Marktauftritt:
Ist Ihr Marktauftritt in die Jahre gekommen und gibt es »Luft nach oben«? Können Sie in ihrem lokalen Umfeld neue Kunden gewinnen und damit Umsatz- und Rohertragspotenzial erschließen?

Neben diesen »big points« gibt es aber weitere Prüfsteine.Beispielsweise die Frage, ob Ihr Konzept mit Kundenrabatten noch zeitgemäß ist?
Oder: Können Sie mit digitalen Kassenbons Kosten sparen? Ist es nun an der Zeit, wie sonst im Einzelhandel eine Schutzgebühr für Tüten zu verlangen und die Boten- und Notdienstgebühren für alle zu erheben?

»One size fits all« wird es bei Ihrem Maßnahmenpaket zur Gegensteuerung nicht geben – es läuft in den meisten Fällen wohl auf ein individualisiertes Bündel aus diversen Aktivitäten hinaus. Sprechen Sie mit uns, wir beraten Sie dazu gerne.